Zimmer, Kuchl, Kabinett

Großes Fragezeichen

„Du hast auch immer Zimmer, Kuchl, Kabinett mit.“ bemerkt meine Cousine, halb belustigt, weil ich vorher über den schweren Rucksack gejammert habe, halb dankbar, weil sie jetzt davon profitiert, was ich so alles mit mir rumschleppe. Immer. So lange ich denken kann bin ich für alle Notfälle gerüstet. Nicht für alle. Für die unvorhergesehenen nicht. Wobei Notfälle ja meistens unvorhergesehen sind. Egal. Ich kann auf alle Fälle oft mit Dingen aushelfen.

„Du hast was mit?“ fragt meine Nichte.
„Da, das kleine Handtuch.“
„Nein, das was die Tante Ursula gesagt hat.“
„Zimmer, Kuchl, Kabinett?“
„Ja, wir sind hier beim Picknick draußen. Da ist keine Küche weit und breit, und was bitte ist ein Kabinett?“
Lena, aus der digital native Generation, sieht mich erwartungsvoll an.

 

Erinnern ist subjektiv

„Da war das Bild überm Bett mit dem goldenen Rahmen und Jesus und Maria.“ Meine Schwester erinnert sich jetzt auch.
„Nein, das ist im Schlafzimmer gehängt, über dem schweren Eichenbett. Im Kabinett war das Bild mit dem Mädchen mit Heiligenschein und dem Schaf.“
„Ich dachte, das war im Mädchenzimmer mit dem komischen Kasten.“
„Dem aus Plastik.“
„Mit dem scheußlichen Muster.“
„Und den Reißverschlüssen.“
Unsere gemeinsame Oma wird im Kopf wieder lebendig.
„Im Kabinett war der Kasten mit dem Hochzeitsgeschirr.“
„Aber den Obstsalat haben wir aus den Plastikbleikristallschüsserln gegessen.“
„Mit den eingefrorenen Erdbeeren, die dann braun-grau-gatschig waren.“

„Und was ist jetzt ein Kabinett?“
Wir haben vergessen, die Frage von Lena zu beantworten.
„Da haben wir geschlafen, wenn wir bei Oma über Nacht waren.“
„Nein, wir haben im Mädchenzimmer geschlafen, im Doppelbett. Im Kabinett war ja nur ein Einzelbett.“
„Und im Schlafzimmer von Oma und Opa war es eiskalt und sie hatten eine Heizdecke im Bett.“
„Also wahrscheinlich ist es ein Zimmer.“ Lena gibt sich selbst eine Antwort.
„Ja, da konnte man nur vom Schlafzimmer hinein. Quasi das Zimmer dahinter.“
„Und warum Zimmer, Kuchl, Kabinett?“
„Ja, das sagt man halt so, wenn man viel mit sich rumschleppt, oder alles.“
Wir haben diesen Spruch nie hinterfragt, weil wir damit aufgewachsen sind. Aber gut, dass Lena gefragt hat. Denn so sind sie wieder aufgetaucht. Die Erinnerungen.
An die Räume.
An die gemeinsam verbrachten Zeiten.
An Oma und Opa.
Und ans Kabinett.

 

Schreibwerkstatt im Zimmer Kuchl Kabinett

Das Schöne am gemeinsamen Erinnern ist, dass Dinge auftauchen, an die man schon lange nicht mehr gedacht hat. Ich bin bekannt dafür, dass ich immer Zimmer, Kuchl, Kabinett mithabe. Umso mehr freut es mich, die Schreibwerkstatt „Nostalgische Zeitreise zum Thema Essen und Trinken“ im wunderbaren Ambiente vom Zimmer, Kuchl, Kabinett von Petra und Peter Winkler abzuhalten. Ich bin schon gespannt, welche Geschichten hier auftauchen.